Österreich will starke Schulen

Eine aktuelle Repräsentativ-Befragung der Initiative „für eine starke Schule“ und ein Expertenforum zur Überwindung der Reform-Blockaden in der Schulpolitik zeigen auf, dass 43% der Bevölkerung das österreichische Schulwesen durchaus als stark sehen.
Die Studie bringt eine Reihe überraschender Ergebnisse hervor:
  • 18% sehen die Schule klar schwach und negativ.
  • An der Spitze der spontan gewünschten Verbesserungen steht eine verbesserte Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer (17% sprechen sich dafür aus).
  • Die Entrümpelung der Lehrpläne wird als wichtigste Maßnahme bewertet, gefolgt von Weiterbildung für Lehrkräfte, mehr Praxisbezug und auch mehr Geld für Schulen.

Schluss mit dem Hin- und Her-Gezerre zwischen den unterschiedlichen Ideologien und Konzepten für eine Schulreform zu Lasten der Zukunft Österreichs“, meint der Gründer der Initiative, Manfred Meraner, Chef des größten österreichischen Schulbuchsverlags VERITAS, „Wir müssen endlich zwischen den Gegensätzen Brücken bauen und die Reformblockaden beseitigen. Die VERITAS-MitarbeiterInnen und ich wollen uns nicht mehr am Herumschieben des schwarzen Peters beteiligen und noch aktiver an die Sache herangehen.“ Dafür hat er nicht nur das GALLUP-Institut mit einer „Pilotstudie“ über die Meinung der ÖsterreicherInnen über die Stärke des österreichischen Schulwesens beauftragt, er hat auch ein Bildungs-Expertenforum einberufen, in dem in Zukunft alle „heißen Eisen“ der Schulpolitik angesprochen und einer Lösung näher gebracht werden sollen.

Die ExpertInnen und Profis fordern eine Abkehr von Sonntagsreden à la „Bildung ist wichtig“ hin zu einer klaren Ausrichtung auf eine starke Schule. Eine starke Schule heißt: starke Beziehungen zwischen SchülerInnen und LehrerInnen, starke Persönlichkeiten bei den Unterrichtenden und Lernenden sowie ein professionelles Schulmanagement. Es heißt aber auch, sich der Realität knapper Haushalte zu stellen und so effizient wie möglich zu arbeiten. Dabei dürfen Standards an den Schnittstellen und kreativer Freiraum kein Widerspruch sein, sondern beides muss möglich sein, um in einer Netzwerkgesellschaft erfolgreich zu sein und ein gutes Leben führen zu können. Individualisierung im Unterricht kostet Zeit und kann nur zur Lasten von reproduzierbarem Wissen in den Unterrichtsalltag einfließen. Weniger ist mehr!

Zu den Befragungsergebnissen: Erwartungsgemäß erhält das österreichische Schulwesen durch die Bevölkerung nur eine mäßige Bewertung, jedoch sind immerhin 43% positiv gestimmt. 18% sind klar negativ, während ein Drittel eine indifferente Position einnimmt. Interessant ist, dass Personen ohne eigene Kinder genauso urteilen wie jene mit Kindern bis 14 Jahre.

Das assoziative Umfeld zum Begriff „starke Schule“ ist laut der Befragung geprägt von Gedanken in Richtung gute Ausbildung, viel Lernen, viel Wissen; auch ein reformiertes Schulsystem sowie gute und motivierte Lehrkräfte gehören zu den häufigsten Konnotationen. Negative Bezüge werden eher selten hergestellt. Häufig genannt wird spontan eine verbesserte Lehrerausbildung, ebenso eine Entrümpelung des Lehrstoffs. Geäußert werden auch Wünsche nach Reformen und Modernisierung sowie stärkeres Eingehen auf die SchülerInnen, mehr Praxisbezug und kleinere Klassen. Außerdem neigt die Bevölkerung zu einem Zurückdrängen des politischen Einflusses, auch mehr Disziplin und Strenge werden gefordert.

Bei der gestützten Bewertung von durch die Fragesteller vorgegebenen Maßnahmen, führt die Entrümpelung von Lehrplänen, gefolgt von Weiterbildung für Lehrkräfte, mehr Praxisbezug und auch höhere Budgets für Schulen. Grundsätzlich zeigt sich mehr Offenheit für die verschiedenen Maßnahmen in der weiblichen Bevölkerung, vor allem bei verstärkten finanziellen Zuwendungen für Lehrkräfte. Bei der zurückhaltenden Bewertung zur gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen sind sich jedoch beide Geschlechter einig. Personen über 50 Jahre sind häufiger für eine längere Lehrerarbeitszeit und lehnen mehr finanzielle Zuwendung stärker ab. Mehr Mitsprache für SchülerInnen fordert die jüngste Altersgruppe bis 30 Jahre, bei der die Erinnerung an die Schulzeit noch am aktuellsten ist. Ähnlich bei der Forderung nach e-Books für die SchülerInnen. Bemerkenswert ist der geringe bis nicht vorhandene Unterschied in der Bewertung zwischen Personen mit schulpflichtigen Kindern im Haushalt und jenen ohne Kinder. Befragte ohne schulpflichtige Kinder fordern allerdings intensiver längere Lehrerarbeitszeit.

Die ÖsterreicherInnen wollen eine starke Schule, welche die Wünsche der SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und Arbeitgeber vereinigt. Sie soll modern, entrümpelt, von qualifizierten Lehrkräften gestaltet und mit Praxisbezug auf die individuellen Talente der SchülerInnen eingehen“, fasst Meraner die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammen. In Bezug auf das Expertenteam seiner Initiative meint er: „Wir wollen gemeinsam die Interessen der SchülerInnen, Eltern und Lehrkräfte bündeln und zwischen den bestehenden Gegensätzen in der Schulreform-Diskussion vermitteln. Daher werden wir in den nächsten Wochen auch dazu aufrufen, auf einer gerade in Entwicklung befindlichen Webseite Aktivitäten zu benennen, die zu einer starken Schule führen können.“

1. Experten-Forum

Die hochrangige Expertengruppe, aus unterschiedlichen Bereichen des österreichischen Schul- und Bildungswesens, traf sich nun auch zu einem 1. Experten-Forum zu diesem Thema. Erläutert wurde dabei die gesamte Bandbreite an Themen und Einflussfaktoren die aktuell starke Schulen verhindern, insbesondere aber welche Voraussetzungen notwendig wären um eine gestärkte Schule zu ermöglichen.

Starke Schulen kann man nicht verordnen. Starke Schulen entstehen, wenn Leute sie machen. Man muss sich fragen, ob es in Österreich die notwendigen Rahmen-bedingungen gibt, damit starke Schulen auch stark sein können?“, erklärt Prof. Stefan Hopmann von der Universität Wien / Institut für Erziehungswissenschaft. „Wir brauchen einen „Change of Mind“. Die Schule muss im 21. Jahrhundert ankommen. Gleichzeitig ist es notwendige die jeweiligen regionalen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Jede Schule hat ihre eigene DNA die die Entwicklung stark beeinflusst. Insgesamt muss Schule wieder ein Ort werden wo alle gerne hingehen“, ergänzt Bildungsexpertin Christine Hahn. Das Thema einer zeitgemäßen Schule und der entsprechenden Inhalte beschäftigt auch Harald Leitenmüller, CTO von Microsoft Austria. „Wir erleben eine nachhaltige Transformation aller Lebensbereiche. 90% der Jobs die heute ausgeschrieben werden hat es vor 10 Jahren noch gar nicht gegeben und wird es vermutlich in 10 Jahren nicht mehr geben. Was sollen die Menschen also lernen und welche Auswirkungen hat das auf die Schule?“.

Abgerundet wurde die angeregte Diskussion durch Impulsreferate der oben genannten Teilnehmer. Die Expertengruppe wird sich nun in verschiedenen Arbeitskreisen mit unterschiedlichen Schwerpunkten befassen, um in weiterer Folge konkrete Aktivitäten zu initiieren und umzusetzen bzw. an die Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung mit entsprechenden Vorschlägen heranzutreten.

Linz, 1. Juli 2015

Bilder: cityfoto.at / Wolfgang Kunasz (Honorarfreier abgedruckt bei Namensnennung)

 

Fritz Radinger

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